Symbolbild/Bild:Lieb

Am heutigen Samstag wird vor dem Landtag in Düsseldorf demonstriert. Die Versammlungsteilnehmer sprechen sich gegen das neue Polizeigesetz für das Bundesland Nordrhein-Westfalen aus. Es beinhaltet viele Verschärfungen und mehr Freiheiten in den Ermittlungen.

Das neue Polizeigesetz für Nordrhein-Westfalen sorgt für Unmut in der Bevölkerung. Schießt Innenminister Herbert Reul über das Ziel hinaus? Klar ist, Menschrenrechtsorganisationen und Opposition sehen in dem neuen Gesetz eine Einschränkung der Grundrechte. Die Schwarz-Gelbe Landesregierung will das Sicherheitspaket noch vor der Sommerpause verabschieden. Doch was ändert sich im neuen Polizeigesetz?

DROHENDE GEFAHR: Die im Gesetz neu eingeführten Begriffe einer «drohenden Gefahr» oder «drohenden terroristischen Gefahr» als Voraussetzungen für die Ausweitung der Polizeimaßnahmen halten Kritiker wie Amnesty und die NRW-Datenschutzbeauftragte für nicht rechtssicher. Zu unbestimmt sei etwa die Definition, wonach eine drohende Gefahr vorliege, wenn bei einer Person «bestimmte Tatsachen» die Annahme rechtfertigten, dass sie «innerhalb eines absehbaren Zeitraums» eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen werde. Die Gewerkschaft der Polizei NRW hält die Begriffe zwar für verfassungssicher, fordert aber bei jeder Maßnahme eine Einzelprüfung, ob sie gerechtfertigt sei. Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert eine klarere Unterscheidung zwischen Kriminalität und Terror. Amnesty befürchtet, dass die Ausnahmebefugnisse für die Polizei «zum Werkzeug einer allgemeinen Verbrechensbekämpfung» werden könnten.

POLIZEIGEWAHRSAM: Der sogenannte Unterbindungsgewahrsam kann von derzeit maximal 48 Stunden auf bis zu einen Monat verlängert werden. Bayern hat sogar eine Dreimonatsfrist. Amnesty hält das für unverhältnismäßig. Menschen im Polizeigewahrsam seien zudem nur unzureichend geschützt. Anders als im Strafverfahren hätten sie keinen Pflichtverteidiger. Dass künftig eine Person sogar zur Identitätsfeststellung bis zu sieben Tage festgehalten werden könne, hält der Bielefelder Juraprofessors Christoph Gusy mit dem Grundgesetz für unvereinbar. Professor Markus Thiel von der Deutschen Hochschule der Polizei verweist darauf, dass die Polizei eine Person zwar in Gewahrsam nehmen darf, aber unverzüglich eine richterliche Anordnung herbeiführen muss.

Dem Münchner Richter Markus Löffelmann erscheint das NRW-Gesetz «unausgewogen». Verlässliche verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Dauer des Gewahrsams gebe es bisher nur ansatzweise. Insgesamt sei das NRW-Gesetz zwar moderater als das bayerische Gesetz. Dass die Polizeibefugnisse ausgeweitet werden sollen, hält Löffelmann angesichts der derzeit abnehmenden Kriminalität in Deutschland allerdings für nicht überzeugend.

DATENSCHÜTZER: Der Zeitdruck, unter dem das Gesetz noch vor dem Sommer durch den Landtag gebracht werden solle, «wird der Relevanz der Thematik nicht gerecht», kritisiert die NRW-Datenschutzbeauftragte Helga Block. Betroffen von den neuen Befugnissen der Polizei etwa bei der Videoüberwachung wäre eine Vielzahl von in aller Regel völlig unbeteiligten Personen. Das Polizeirecht solle «mehr und mehr dem Recht der Nachrichtendienste» angeglichen werden.

SCHLEIERFAHNDUNG: Das NRW-Gesetz lässt verdachtsunabhängige Kontrollen in vorher bestimmten Gebieten für 28 Tage zu – mit der Möglichkeit der Verlängerung um weitere 28 Tage. Amnesty befürchtet, dass die Kontrollen «in der Regel Menschen treffen, die einen Migrationshintergrund haben und nicht ‚typisch deutsch‘ aussehen». Die NRW-Datenschutzbeauftragte beklagt eine «geradezu uferlose Weite» möglicher Einsatzszenarien, sogar in Straßenbahnen, Bussen oder öffentlichen Parkhäusern.

ELEKTRONISCHE FUßFESSEL: Nach Ansicht des Bielefelder Juraprofessors Christoph Gusy wirkt die elektronische Fußfessel nicht gefahrenabwehrend. Für Amnesty ist sie ein Eingriff in das Menschenrecht auf Fortbewegungsfreiheit. Fraglich sei auch, ob sie überhaupt zur Verhinderung einer terroristischen Straftat geeignet sei. Selbst die Gewerkschaft der Polizei NRW sieht die Fußfessel als nicht geeignet an, terroristische Aktivitäten zu erkennen oder zu verhindern. Das Bundeskriminalamt BKA meint dagegen, dass schon das Wissen um die polizeiliche Kontrolle Täter abschrecken könnte.

WAFFEN: Amnesty lehnt die Einführung von Elektroschockwaffen (Taser) für die reguläre Streifenpolizei ab. Taser könnten schwere Gesundheitsschäden verursachen.

DIGITALE ÜBERWACHUNG: Die Polizei soll künftig mit richterlicher Anordnung auch auf verschlüsselte digitale Inhalte zugreifen können und Messengerdienste wie etwa WhatsApp auslesen dürfen. Datenschützer befürchten, dass entdeckte IT-Sicherheitslücken dann bewusst von Sicherheitsbehörden offen gelassen werden könnten. Für das Bundeskriminalamt (BKA) ist die Überwachung der Kommunikation häufig «der einzige Weg, um die Gefahrenlage erhellen zu können».

Die Polizei erwartet am heutigen Tag mehrere tausend Demonstranten in der Landeshauptstatt. Die Demo wurde unter dem Namen „NoPolGNRW“ angemeldet. „NoPolGNRW“ ist ein Zusammenschluss von Gruppen und Einzelpersonen. Unterstützt wird das Bündnis unter anderem von Amnesty International Düsseldorf, Attac, dem BUND, Politikern von Grünen und Linken, „Düsseldorf stellt sich quer“, den Jusos NRW und verschiedenen Antifa-Gruppen.

Ob die heutige Demonstration vor dem Landtag in Düsseldorf etwas ändern wird ist fraglich. Klar ist jedenfalls, dass die Bevölkerung den verschärften Gesetzen eher kritisch gegenüber steht. Innenminister Reul hält an seiner Linie fest.

Quelle: WDR/DPA  Bericht: Leonhard Giesberts, Planungsredaktion

 

Von Leonhard Giesberts - CvD

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