NonstopNews-Zentrale// Sie sind die stummen Opfer dieser Pandemie. Denn sie waren da, als es Herrchen und Frauchen schlecht ging. Im Lockdown 2020 erlebten die Tierheime in Deutschland einen noch nie dagewesenen Boom an Anfragen. Jetzt, wo sich die Pandemie zunehmend auf der Zielgeraden befindet, herrscht wieder Ausnahmezustand bei den Tierschutzvereinen und Tierheimen – allerdings in die andere Richtung.

Denn aus dem ganzen Land wird immer mehr gemeldet, dass kaum noch Platz in den Heimen vorhanden ist. Ob Hund, Katze, Kaninchen oder Vogel – die Auffangstationen platzen förmlich aus allen Nähten. „Unser Hundehaus ist zu 98 Prozent gefüllt. Gleiches im Katzenhaus. Babykatzen haben wir in großen Mengen und die Wellensittiche sind uns fast ins Kleintierhaus geflogen“, berichtet Katrin Novotny vom Tierheim Moers. Ähnliche Situation bei ihrer Kollegin Mona Schellscheidt in Krefeld: „Unsere Zwinger sind teilweise doppelt belegt. Wenn noch ein Tier kommt, müssen wir schauen, wie wir das unterbringen können.“

Viele Menschen nutzten zum Höhepunkt der Pandemie insbesondere die Hunde als treue Wegbegleiter. Während Herrchen sich mit Freunden nicht mehr treffen durfte und der Arbeitsplatz am heimischen Schreibtisch eingerichtet war, waren die Vierbeiner eine willkommene Abwechslung. Nun geht es zurück ins Büro und für die Tiere bleibt keine Zeit mehr.

Die Folgen sind so erschreckend wie vielfältig. Manche legen ihre Kaninchen einfach in einen Karton in den Graben und hoffen darauf, dass er von jemandem anderen rechtzeitig gefunden wird. Andere kommen mit fadenscheinigen Begründungen ins Heim, dass sie das Tier angeblich so gefunden haben, um es vermeintlich elegant abzugeben. Und wieder andere versuchen es mit ganz perfiden Mitteln, wie nun ein Vorfall aus der vergangenen Woche zeigt. „Wir haben großes Verständnis für Leute, die in Not und in schwierigen Situationen sind. Dass sie es als problematisch empfinden und es das auch ist. Aber für diesen Lösungsansatz haben wir null Verständnis“, sagt Kathrin Novotny vom Tierheim Moers und bezieht sich auf das Erlebte. Denn dort hatte eine Frau ihren jungen Shiba Inu eiskalt über den meterhohen Zaun geworfen. „Da hätte die Hündin von Knochenbrüchen bis hin zu inneren Verletzungen alles haben können“, klagt Novotny. Ein Nachbar sprach die Dame damals an und konnte somit verhindern, dass noch ein zweites Tier über den Zaun fliegt.

Es wird deutlich, dass viele Menschen die Tierhaltung völlig unterschätzt haben. „Der Hund soll der beste Freund des Menschen sein. Beißt er, ist er es nicht mehr. Die Katze soll verkuschelt sein. Will sie das nicht, ist auch doof. Die Tiere werden auf ihre Wunschfunktion reduziert und bleiben auf der Strecke“, kritisiert Novotny. Durch den Lockdown haben viele Hunde Verhaltensauffälligkeiten entwickelt. Denn die Jungtiere konnten nicht in die Hundeschule und sind es nicht gewohnt, andere Vierbeiner um sich herum zu haben. Die Folge: große Unsicherheit mit anderen Hunden und im Zweifel Beißattacken gegenüber Menschen. Aber alle Hunde haben einen Zusammenhang: „Ich vermute, dass das alles auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist, weil die Tiere alle zu Corona-Zeit angeschafft wurden.“ Wirklich zugeben tut das kaum niemand. Worauf die Heime ihre Vermutungen stützen? Es ist aus den Papieren zu entnehmen, sofern diese überhaupt existieren. Denn auch der Schwarzmarkt von illegalem Welpenhandel aus Osteuropa oder auch Kleinanzeigen war letztes Jahr riesig.

Dank der unüberlegten Reaktion der Besitzer wissen die Tierheime mittlerweile nicht mehr, wohin mit den ganzen Vierbeinern. In Krefeld gibt nur noch ganz wenige Reserven für wirkliche Fundtiere oder jene, die von der Polizei sichergestellt werden. Private Anrufe zur Abgabe werden auf andere Heime umgeleitet oder auf Wochen später vertröstet. Dass das für Besitzer und Tiere unbefriedigend ist, ist beiden Tierheimmitarbeiterinnen Kathrin Novotny und Mona Schellscheidt bewusst. Doch ihnen sind die Hände gebunden. „Wir sind eigentlich gut vom Personal eingeteilt. Aber je mehr Tiere wir bekommen, desto mehr wird es an Arbeit. Und wir arbeiten an der Belastungsgrenze“, so Mona Schellscheidt vom Tierheim Krefeld.

Sie und ihre Moerser Kollegin geben Tipps, wie Menschen ihr perfektes Haustier finden. „Man muss im Optimalfall sich damit auseinandersetzen, welche Bedürfnisse das Tier hat. Bei Kaninchen ist die Stallhaltung besonders wichtig, bei Hunden braucht es je nach Tier genug Erfahrung. Zudem muss man bereit sein, mehrfach herzukommen, damit wir und der Hund einen besser kennenlernen. Wir wollen sehen, wie die Menschen mit den Hunden umgehen und wenn der Zeitpunkt des Auszuges gekommen hast, dann soll der Hund nicht das Gefühl haben, dass er gerade zu fremden Menschen zieht“, so Novotny. Was passiert, wenn Menschen aus der Emotion heraus sich einen Hund anschaffen, zeigt Frieda. Die zweijährige Malinois-Hündin wurde in Corona angeschafft. Doch acht Stunden alleine zuhause, wie es nach dem Lockdown wieder der Fall ist, geht für die Variante eines Belgischen Schäferhundes einfach nicht. Das Tier war unterfordert und versuchte schließlich beim Gassi gehen einen Mann anzufallen. Das Resultat: Endstation Tierheim.

In den Heimen sind aktuell fast alle Boxen weiterhin reserviert. Ein Ende ist vorerst nicht absehbar. Und so drohen auch immer mehr Kleintiere, wie Hasen oder Mäuschen, jämmerlich in kleinen Transportboxen oder gar Kartons ausgesetzt zu werden, weil sie ihren „Besitzer“ unbequem geworden. Mona Schellscheidt bringt die Folgen auf den Punkt: „De Leute sind in der Situation überfordert und wissen sich nicht mehr anders zu helfen, als die Tiere auszusetzen. Aber das ist nicht die Lösung.“

Von Leonhard Giesberts - CvD

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