Ein Beitrag von BNK-Redaktionsleiter Leonhard Giesberts

Lang anhaltende Regenwetterlagen in ganz Deutschland haben die Rheinpegel anschwellen lassen, in mehreren Städten und Kreisen gab es wetterbedingt große Einsätze und mehrere Krisenstäbe sind schon aktiv in NRW. Das bedeutet, dass weitere Kräfte aus anderen Bundesländern zugeführt werden müssen, für die im ersten Übungsszenario am Further Kirmesplatz in Neuss sowohl eine Unterkunft für sieben Tage als auch Verpflegung für 250 Kräfte geschaffen werden muss.

Ein Tornado welcher einen Campingplatz und dessen Zufahrtswege verwüstet und zahlreiche Menschen verletzt.

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Eintreffen der Helfer am Bereitstellungsraum

Um 10:30 startete der Übungstag welches die Abschlussvollübung für das Forschungsprojekt „REBEKA“ (Mehr zu „REBEKA“ am Ende des Beitrags) ist. Die Darsteller der Realistischen Unfalldarstellung aus dem Norden gaben ihr bestes. Für die ersten Einsatzkräfte, welche große
Schwierigkeiten hatten die Einsatzstelle auf dem Campingplatz überhaupt zu gelangen. Der Zufahrtsweg, ein unbefestigter Wirtschaftsweg, war durch Bäume versperrt worden. Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks und der Feuerwehr
räumten die Straße. Eine Rettungswagenbesatzung sowie der leitende Notarzt des Rhein Kreises Neuss hatten sich zu Fuß auf den Weg gemacht und eine erste Sichtung durchgeführt. Die Verletzungen reichten von Schürfwunden bis hin zu Polytrauma und Pfählungsverletzungen.

Ein paar Kilometer weiter auf dem Gelände des Bauhofes. Das THW rückt an. Zusammen mit sechs so genannter Spontanhelfer sollen Sandsäcke für die Sicherung eines Deiches befüllt werden.

 

 

Zurück in Neuss. Im Bereitstellungsraum bauen Einsatzkräfte der Johanniter aus Krefeld, Mönchengladbach und Neuss gemeinsam mit einem Löschzug der Feuerwehr Neuss einen Bereitstellungsraum samt Verpflegungs- und Unterkunftsstelle ein. Einsatzleitwagen, Küchenanhänger , Zelte und Schlafräume in der Gesamtschule Nordstadt werden eingerichtet. Auch hier werden Spontanhelfer eingesetzt.

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Phänomen Spontanhelfer/ Ad-Hoc Helfer

Zunehmend sind Hilfsorganisationen auch mit Bürgern ohne Einsatzerfahrung (Ad-Hoc-Helfern) konfrontiert, die ausgebildete Einsatzkräfte im Bereich der Gefahrenabwehr unterstützen wollen. Diese Unterstützung bedarf einer umfassenden Integration der Ad-Hoc-Helfer in die Arbeitsabläufe und Strukturen der Einsatzorganisationen.

So auch im Einsatz auf dem Campingplatz. Während die meisten Einsatzkräfte noch dabei sind , sich den Weg frei zu räumen, melden sich bei den Vorauskräften mehrere Ersthelfer, Pflegeschüler mit medizinischen Kenntnissen, welche durch den leitenden Notarzt in das Einsatzgeschehen eingebunden werden. Immerhin galt es 32 Patienten zu versorgen. Dann ist der Wirtschaftsweg frei für die SEG Rettungsdienst und die Kräfte der Feuerwehr. Jetzt können nach und nach alle Patienten von medizinischen Personal betreut und versorgt werden.

Sophie Kröling von der Freien Universität Berlin hat gerade diesen Abschnitt im Blick und zeigt sich sehr zufrieden mit einem Part der die etablierten Helfer betrifft: „man kann sehr gut erkennen, dass die präventiven Maßnahmen gegriffen haben, in denen den Helfenden Maßnahmen und Techniken beigebracht wurden, um mit belastenden Einsatzsituationen und deren Folgen umzugehen“.

Zurück an der Sandsackfüllstation. Langsam sind die ersten Sandsäcke befüllt und gestapelt auf Europaletten. Gegen 12:30 Uhr macht sich ein Konvoi auf dem Weg zum nahe gelegenen Rheindeich. Hier soll das verlegen eine so genannten Auflast geübt werden. Auflasten werden zum Beispiel dann gelegt, wenn der Deich instabil wird und zu brechen droht. Nachdem die Spontanhelfer eingewiesen wurden, wird eine Kette gebildet.

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Am Campingplatz werden die Spontanhelfer nun aus dem Einsatz heraus gelöst. Genügend „richtige“ Rettungskräfte sind vor Ort und übernehmen die Patienten. Weitere Transportfahrzeuge rücken an. Die nächste Herausforderung ist eine strukturierte Raumaufteilung für die Einsatzabschnitte. Enge Zufahrtswege und fließender Verkehr behindern immer wieder ein schnelles voran kommen.

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In Neuss werden zu dieser Zeit schon die Vorbereitungen für das gemeinsame Essen nach der Großübung getroffen. Ein Meldekopf wurde eingerichtet um die zurückkehrenden Einsatzkräfte zu registrieren.

Um 14:30 Uhr waren dann alle Übungen zum Großteil beendet. Zeit für die Übungs- und Einsatzleitung ein Fazit zu ziehen.

Marcel Kübel vom Johanniter Landesverband NRW saß unter anderem in der Projektleitung. Er zeigt sich zufrieden, dennoch müssen Schwachstellen nachgearbeitet werden.

Patrick Drews von der Universität Stuttgart sagt uns an einer der Einsatzorte:

„Das was ich jetzt hier spontan sehe, im Bezug auf die Spontahelfer, hat es sehr gut funktioniert. Der leitende Notarzt des Kreises (…) welcher zusammen mit einer weiteren Rettungswagenbesatzung schon früh an der Einsatzstelle angekommen ist, hat sich dann auch früh an dieser zusätzlichen Ressource bedient.“

Solche Übungen sind auch wichtig für den Landkreis selber. Das weiß auch der stellvertretende Kreisbrandmeister, Heinz-Dieter Abels.

„Für uns sind solche Übungen sehr wichtig, da der Rhein Kreis Neuss viele Gefahrenpunkte hat. Gerade im Bereich der verschiedenen Organisationen, war es für uns wichtig  zu schauen ob das funktioniert.“

Neben den für alle sichtbaren rund 250 Helferinnen und Helfern waren noch die Mitarbeiter der Kreisleitstelle in Neuss und des Katastrophenschutzstabes der Kreisverwaltung im Stabsraum in Grevenbroich beteiligt. „Die Hauptaufgabe der Übung, zu schauen, wie Spontanhelfende in die Arbeit der etablierten Einsatzkräfte eingebunden werden können, ist wie vorgesehen jetzt gut beurteilbar“, sagt Patrick Drews vom Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement  der Universität Stuttgart. Er ist wie Rebecca Dinkelbach von der Abteilung der Johanniter für

internationale Projekte und Kooperationen, Tatjana Regh vom Technischen Hilfswerk und Marcel Kübel vom Landesverband der Johanniter neben wechselnden Teilnehmern ein fester Teil des Projektes.

Durch seine Verwurzelung im Rhein-Kreis Neuss, in dem er auch ehrenamtlich im Katastrophenschutz tätig ist und seiner Aufgabe im Landesverband hat Marcel Kübel die Organisation des Ablaufs, der Orte und Beteiligten für diese Übung koordiniert. „Ich freue mich über die gute Resonanz der etablierten Rettungskräfte und insbesondere der freiwilligen Spontanhelfer aus der Bevölkerung, die sich hier eingebracht haben“.

Quellen: BNK-Pressedienst Recherche/ Johanniter Unfall Hilfe Regionalverband Niederrhein & Landesverband NRW/ Projekt „REBEKA“

Die ganze Übung lief unter dem Forschungsprojekt REBEKA, aber was bedeutet das eigentlich?

Das Projekt

Was passiert, wenn Einsatzkräfte der Organisationen im Zivil- und Katastrophenschutz im Krisen- und Katastrophenfall selber betroffen sind? Wenn eine Grippewelle die Helferinnen und Helfer selber erfasst? Wenn ein Stromausfall die IT-Systeme der Einsatzkräfte lahmlegt oder das Lagezentrum durch Überflutung unbenutzbar wird? Wie können vielleicht Bürger ohne Einsatzerfahrung als Ad-Hoc-Helfer die Einsatzkräfte unterstützen?

Diese und weitere Fragen versucht das vom BMBF geförderte Verbundprojekt „Resilienz von Einsatzkräften bei eigener Betroffenheit in Krisenlagen“ (REBEKA) zu beantworten.

Hintergrund

Der deutsche Bevölkerungsschutz stützt sich überwiegend auf ehrenamtliche Einsatzkräfte in den Hilfe leistenden Organisationen. In langanhaltenden Krisenlagen können Einsatzkräfte und die Infrastruktur dieser Organisationen allerdings selbst betroffen sein und ausfallen, so dass die Hilfeleistung nicht mehr garantiert und somit der Schutz der Bevölkerung nicht mehr vollumfänglich gewährleistet werden kann.

Zunehmend sind Hilfsorganisationen auch mit Bürgern ohne Einsatzerfahrung (Ad-Hoc-Helfern) konfrontiert, die ausgebildete Einsatzkräfte im Bereich der Gefahrenabwehr unterstützen wollen. Diese Unterstützung bedarf einer umfassenden Integration der Ad-Hoc-Helfer in die Arbeitsabläufe und Strukturen der Einsatzorganisationen.

Forschungsfragen

REBEKA adressiert die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der im Bevölkerungsschutz tätigen Organisationen unter der Maßgabe großer interner Belastungen durch begleitende oder ergänzende Umstände bei der Krisenbewältigung.

Im Fokus steht die Steigerung der internen Resilienz durch die Untersuchung und Beschreibung der Kompensationsmöglichkeiten auf drei Ebenen:

  1. Wie kann die Resilienz der Einsatzkräfte durch persönliche und organisatorische Maßnahmen gestärkt werden?
  2. Wie sollten die Prozesse der Hilfe leistenden Organisationen des Bevölkerungsschutzes und deren eigene Notfallpläne gestaltet werden, damit sie auf einen Ausfall von Einsatzkräften und Infrastruktur adäquat reagieren können?
  3. Wie kann die Resilienz der im Bevölkerungsschutz tätigen Organisationen durch die Integration von Ad-Hoc-Helfern gesteigert werden?

Ziele

REBEKA strebt einen Beitrag für hilfeleistende Organisationen im Bevölkerungsschutz durch die Entwicklung von adaptionsfähigen Lösungskonzepten an. Hierbei sollen die Säulen der Resilienz (Akteure, Ressourcen, Strukturen und Prozesse) ganzheitlich betrachtet und als Leitlinien zur Steigerung der Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit des deutschen Bevölkerungsschutzes integriert werden.

Quelle: http://www.rebeka-projekt.de/

Von Leonhard Giesberts - CvD

Kontakt: bnk-redaktionsleiter.kr@gmx.de